Aus dem Amtsblatt der Stadtgemeinde Klosterneuburg / Kulturbeilage Nr. 1 / 1986


Gerta Hartl:

Wo sind sie geblieben ?

(Vom Bildstock für Herma von Schuschnigg bei der Kaserne)

Man schrieb den 14. Juli 1935. Das von allen Heimsuchungen gequälte, von allen Leiden gestriemte kleine Österreich ereilte neuerlich eine Hiobsbotschaft. Wohl war es diesmal keine politische, sondern vielmehr eine rein menschliche Tragödie, die die Österreicher erreichte. Es war die Todesnachricht Herma von Schuschniggs, der Gattin des damals so schwer um den Bestand Österreichs ringende Bundeskanzlers Kurt von Schuschnigg. Auf der Urlaubsreise der Kanzlerfamilie hatte der Lenker des Autos auf unerklärliche Weise die Herrschaft über das Fahrzeug verloren. Der Wagen war bei Ebelsberg in einen Baum gerast. Während der Kanzler und dessen Sohn mit einem Nervenschock davonkamen, erlag Herma von Schuschnigg ihren schweren Verletzungen.

Portrait
Herma von Schuschnigg
(Bildarchiv der Österr. Nationalbibliothek)
Wer war die Unglückliche, die so jung ihr Leben lassen mußte und die damals von einem großen Teil der Österreicher so tief und aufrichtig betrauert wurde ? Sie war eine vorbildliche Gattin, eine treue, tapfere Weggefährtin und Mitstreiterin ihres schwergeprüften und vielfach mißverstandenen Gatten. Sie war großherzig, gütig und stets geneigt, den Bedrängten zu helfen. Einer alten, erbeingesessenen Bozener Familie entstammend, fesselte Herma von Schuschnigg nicht nur durch den besonderen Liebreiz ihrer Erscheinung, sondern besaß auch jenen Adel des Herzens und jene kultivierte Art des Umganges, wie sie heutigen Tages zu den ganz großen Seltenheiten gehört.

Es muß den damaligen Klosterneuburgern hoch angerechnet werden, daß sie sich spontan entschlossen, der Verewigten ein Denkmal zu setzen. Es blieb nicht bei dem Vorhaben; es wurden keine jahrelangen Diskussionen geführt, keine Streitgespräche vom Zaun gebrochen, vielmehr so rasch gehandelt, daß fast auf den Tag, ein Jahr nach dem tragischen Unfall, ein schlichter, dennoch künstlerischer Bildstock enthüllt werden konnte. Der Bildhauer Sepp Haberl-Calo, der auch das Dollfuß-Denkmal auf dem Rathausplatz, als dieser noch Dollfußplatz hieß, gestaltet hatte, schuf eine schlanke, fast zierliche Säule, die der schöne, leidend geneigte Kopf der Verunglückten krönte.

Die Verwirklichung des Planes, ein dauerndes Gedenken zu schaffen, kam keineswegs von ungefähr. Das Frauenreferat der Vaterländischen Front bemühte sich um die finanziellen Mittel und wurde dabei von der Amtswalterin Frau Christine Kiß durch eine namhafte Spende großzügig unterstützt.

Als am 11. Juli 1936, an der Wegkreuzung Berggasse und Leopoldstraße der Bildstock enthüllte wurde, nahm die ganze politische und geistliche Prominenz Klosterneuburgs an dieser schlichten Feier teil, so der Reichssekretär der österreichischen Sturmscharen Eckert, Ober-Rechnungsrat Wirth mit den Mitgliedern der Bezirksführung, Ortskommandant Oberst Blaschek, Oberst Widmann, Stiftsdechant lsidor Kraus, Mitglieder des Gemeindetages, Vertreter der Garnison, der Wehrverbände, der Ämter und Behörden, die Bezirksreferentinnen Frau Nora Straubinger und Frau Poldi Wendl. Aber auch weite Kreise der Bevölkerung nahmen an der Einweihung des Bildstockes teil, die nach einer erschütternden Ansprache des hochwürdigen Herrn Wilhelm Fasst, in seiner Eigenschaft als Bezirkskurat der Ostmärkischen Sturmscharen, von diesem vorgenommen wurde. Der große Kirchenkomponist Vinzenz Goller, der zu damaliger Zeit das Bürgermeisteramt bekleidete, fand gleichfalls berührende und anerkennende Worte für Herma von Schuschnigg.

mit Sohn
Herma von Schuschnigg mit ihrem Sohn Kurt
(Bildarchiv der ÖNB)
Aber das bescheidene Denkmal blieb nicht lange auf dem grünbewachsenen Rasenfleck stehen. Bestrebt nach der "Machtergreifung" alles, aber auch schon alles, was an diese Zeit erinnerte, hinwegzufegen, war auch der Bildstock bald verschwunden. Trotz intensiver Nachforschungen konnte er bis heute nirgendwo entdeckt werden. Hatte ihn ein Übereifriger zerschlagen? Hatte man ihn in ein dunkles Gewölbe oder auf einer Abfallhalde abgestellt?

So wenig man von dem Bildstock weiß, so wenig weiß man auch von vielen jener, die damals aufrichtig getrauert und sich für den Bestand Österreichs eingesetzt haben.

Dieser Bildstock soll nicht nur ein bleibendes Erinnerungszeichen an Frau Herma von Schuschnigg sein, dieser Bildstock soll uns Frauen eine immerwährende Mahnung sein, der Verewigten nachzustreben in ihrer beispielgebenden Pflichterfüllung und nimmermüden Hilfsbereitschaft." so schrieb die „Neue Klosterneuburger Zeitung" am 18. Juni 1936.

"Wo sind sie geblieben?" fragt ein trauriges Lied unserer Tage. Wo sind sie geblieben die menschlichen und steinernen Zeugen einer schweren Zeit? Und wer dankt ihnen heute noch ihren damaligen Einsatz für ein freies, unabhängiges Österreich?!