Otto Martin Lothar Koenig
wird am 23. Oktober 1914 in Wien geboren. Er wächst in
einem evangelischen Elternhaus auf. Bereits sein Großvater war
der erste Kurator von Klosterneuburg, wo sich auch die
Wohnstätte der Eltern befindet.
Der
Vater, Otto Martin Julius Koenig,
studierte an der Wiener Universität Germanistik, klassische
Philologie, Archäologie, Epigrafik und Pädagogik. Schon in der
Vorkriegszeit arbeitete er in der Redaktion der Wiener
Arbeiter-Zeitung unter Viktor Adler. 1909
heiratet er
Mathilde Hruby. Otto junior war
das einzige Kind aus dieser Ehe.
Während des I. Weltkriegs wird der Vater an verschiedene
Frontschauplätze als Offizier eingezogen und so oft wie möglich
von seiner Familie besucht. Anfang 1919 erfolgt eine
kurzfristige Anstellung bei der Dresdner Volkszeitung, dann
kehrt die Familie endgültig in das Klosterneuburger Elternhaus
zurück. Otto Koenig sen. arbeitet wieder in der Kulturredaktion
der Wiener Arbeiter-Zeitung und hält regelmäßig Kurse
und Vorträge an den Wiener Volkshochschulen.
Den Großteil seiner Kindheit verlebt Otto Koenig in
Klosterneuburg bei Wien im Elternhaus (Alleestraße 27, Anm. d.
Verf.), das inmitten eines großen Gartens steht. Schon als
vorschulpflichtiges Kind zeigt er brennendes Interesse an
Tieren: Mit 5 Jahren bringt er seinen ersten selbstgefangenen
Feuersalamander heim, bald darauf eine fast meterlange
Ringelnatter.
"Einmal ist mein Vater mit mir in den Wienerwald gegangen, in
den sogenannten Rotgraben. Und dort fand ich einen
Feuersalamander. Ich nahm ihn mit nach Hause, wo er fortan in
einem Gurkenglas leben sollte.....Den Feuersalamander jedenfalls
habe ich dann heimlich in seinem Gurkenglas in die Sonne
gestellt, denn ich wußte von Eidechsen, daß sie sich gerne
sonnen. Als ich aber kurz darauf nach ihm sah, war er tot und
vertrocknet. Aus diesem Unglücksfall habe ich eigentlich meine
erste ökologische Lehre gezogen, denn ich verstand in diesem
Moment: Der Salamander kommt ja nur im feuchten Wienerwald vor,
während sich die wirklichen Eidechsen in durchsonnten
Landschaften tummeln!"
Otto Koenig im Gespräch mit Kurt Mündl, 1991
Nach der Volksschule in Klosterneuburg besucht Otto Koenig
mehrere Gymnasien, unter anderen das
Wasa-Gymnasium im 9. Wiener
Gemeindebezirk, wo er sich, zumindest in einigen Fächern, ebenso
begabt wie ungebärdig erweist (Betragensnoten zwischen "gut" und
"nicht entsprechend").
Eine für den späteren Lebensweg Otto Koenigs entscheidende Rolle
spielt aber die Jugendbewegung, welche immer Vorrang vor der
Schule hat. 1926, als Zwölfjähriger, gründet Otto Koenig
mit gleichaltrigen Freunden die selbsterfundenen
"Freiheitspioniere" und führt sie längere Zeit. Danach folgt
kontinuierliche Arbeit bei den Roten Falken und ab
1934 bei den Pfadfindern.
Als 17jähriger beschließt Otto Koenig zum Entsetzen seiner
Eltern die als langweilig empfundene Mittelschulzeit zu beenden:
er möchte "richtig" fotografieren lernen. Auf das Flehen der
Mutter, doch zuerst die Matura zu machen, antwortet er:
"Die Matura interessiert mich nicht,....ich werde
Tierfotograph, ich gehe neue Wege in der Tierfotographie!"
Auf eigenen Wunsch besucht Otto Koenig die 3jährige Graphische
Lehr- und Versuchsanstalt, Fachrichtung Fotografie, die er
erfolgreich abschließt. Die Matura sollte er später noch
nachholen und zwar im Zuge einer 'Berufsreifeprüng' 1956 an der
Universität Wien mit Berechtigung zum Studium von Psychologie und
Zoologie. Ebenso hörte er über 18 Semester lang Vorlesungen über diverse
geisteswissenschaftliche Fächer. Prägend für seine spätere
Berufslaufbahn wird die intensive Erkundung des Rohrwaldes des
Neusiedlersees mit seiner damals noch wenig erforschten Flora
und Fauna. Selbst während des fünfjährigen Militärdienstes
schafft es Otto Koenig, seine Studien im Schilfgürtel wenigstens
zeitweise fortzusetzen. In dieser Lebensphase findet Otto Koenig
aber nicht nur die Berufsidee sondern auch die Frau fürs Leben.
Bereits als 14jähriger lernt Otto Koenig bei einem Ausflug mit
seinen Eltern den Neusiedlersee kennen. Mit einem Freund paddelt
er in die Schilfzonen hinein und erlebt den Rohrwald hautnah in
seiner Schönheit und Seltenheit. Zum ersten Mal sieht er den
Silberreiher und die Große Rohrdommel nicht nur als Abbildungen
eines Tierbuches und ahnt, daß dieses Leben in der Wildnis sein
Weg werden könnte. Ab 1932 zeltelt er den Sommer über regelmäßig
im Dickicht des Rohrwaldes, mitten unter Rallen, Rohrsängern,
Wasserratten, Spitzmäusen und Reihern.....
Die an der "Graphischen" erworbenen Kenntnisse im
professionellen Fotografieren und Filmen kann Otto Koenig
erfolgreich einsetzen. Am Neusiedlersee findet er ideale
Bedingungen für seine Untersuchungen vor: in den Jahren
1936/37 beginnt der Wasserspiegel merklich anzusteigen,
was einen rapiden Zuwachs an Löffler- und Silberreiher-Kolonien
zur Folge hat.
Kontinuierlich vollzieht Otto Koenig nun den Weg vom
"Nur"-Fotografen zur gezielten, detaillierten Tierbeobachtung.
1939 publiziert er das Buch Wunderland der wilden
Vögel, 1952 erscheint die erste grundlegende Arbeit
der Öko-Ethologie im deutschsprachigen Raum Ökologie und
Verhalten der Vögel des Neusiedlersee-Schilfgürtels.
Die ersten Forschungen am Neusiedlersee gestalten sich noch
unter schwierigen Bedingungen: Man fährt bis Schwechat mit der
Wiener Straßenbahn und marschiert von dort, beladen mit allen
Ausrüstungsgegenständen, zu Fuß an den See. Während der
Freilandarbeit sind Polenta, "Levkar" (Schneidemarmelade), Brot
und Seewasser die Hauptnahrungsmittel. Es fehlen wasserdichte
Stiefel, die unerschwinglich sind, ebenso ein Kompassgerät zur
sicheren Orientierung im hohen Rohrwald. Aber es mangelt nicht
an Begeisterung, die Otto Koenig und seine um ihn gescharten
Kameraden, meist Pfadfinderkollegen, mitbringen.
1939 lernt Otto Koenig die bereits erfolgreiche Zeichnerin Lilli
Frischauf, ebenfalls eine Absolventin der "Graphischen", näher
kennen als sie vom Verlag als Illustratorin eines seiner Bücher
vorgeschlagen wird. Um ihr seine romantische Welt vorzuführen,
lädt er sie zu einer Bootsfahrt auf den Neusiedlersee ein......
Noch in den Kriegsjahren heiraten Otto Koenig und Lilli
Frischauf am 8. Mai 1943 in Wien. Im selben Jahr wird er
in Deutschland stationiert und holt seine Frau zu sich nach
Berlin. Als ausgebildeter Fotograf wird Otto Koenig zunächst in
der Fliegerbildschule Neubiberg bei München, und später in
Frankreich, Sizilien und Russland eingesetzt. Im Frühjahr
1945 kehrt er aus der russischen Kriegsgefangenschaft
nach Wien zurück.
Mit Konrad Lorenz 1979
Im Sommer 1945, nach seiner Rückkehr aus der
Kriegsgefangenschaft, verwirklicht Otto Koenig seinen lang
gehegten Traum eine Forschungsstation zu gründen, an der
Verhaltensforschung im Sinne von
Konrad Lorenz und
Oskar Heinroth
betrieben wird. Er und seine
Frau Lilli säubern ein leerstehendes Flak-Barackenlager
gegenüber dem Schloss Wilhelminenberg am Westrand Wiens von
allen Kriegsresten und bauen es mit Zustimmung der Gemeinde
Wien und des Amtes für Heereswesen zur Biologischen Station
Wilhelminenberg um.
Der Ausbau der Station geht unter
schwierigen Bedingungen voran: nur mit wenigen Helfern wird in
den ersten Nachkriegsjahren die gesamte Einrichtung mit
unzureichendem Werkzeug und wenig Material selbst hergestellt.
Die private Finanzierung erfolgt durch Buchveröffentlichungen,
Zeitungsartikel und Vortragstätigkeit. 1948 muß Otto
Koenig seine Filmgeräte verkaufen, um die Station in Betrieb
halten zu können.
Die frühe Arbeit in der Volksbildung, zahlreiche
wissenschaftliche und popularwissenschaftliche
Veröffentlichungen und brilliante Vortragstätigkeit machen
Otto Koenig bald zu einer allgemein bekannten Person und
sichern seinen Ideen einen großen, wenn auch nicht immer
widerspruchslos angenommenen Bekanntheitsgrad. Durch seine
eigenen Fernsehsendungen und die Teilnahme an öffentlichen
Diskussionsrunden bleibt er einem Millionen-Fernsehpublikum im
Gedächtnis.
Von seinem Vater hatte Otto Koenig schon früh gelernt, daß
neben der wissenschaftlichen Arbeit (Publikationen) auch deren
popularwissenschaftliche Darstellung und insbesondere die
volksbildnerische Vortragstätigkeit für die Verbreitung von
Forschungsergebnissen von Bedeutung sind. Bereits 1945 hält er
Volkshochschulkurse unter dem Titel "Vom Einzeller zum
Menschen". Es folgt eine langjährige volksbildnerische Kurs-
und Vortragstätigkeit, in die stets auch die Mitarbeiter der
Biologischen Station Wilhelminenberg einbezogen werden. 2 Jahre
(1947-1948) geben die Wilhelminenberger eine eigene
popularwissenschaftlich ausgerichtete Zeitschrift mit dem Namen
"Umwelt" heraus. Selbst gestaltete Hörfunksendungen,
Zeitungsartikel, allgemein zugängliche Führungen durch die
Station an jedem Samstag und Sonntag sorgen für weitere
Medienpräsenz.
Ab 1956 gestalten Otto Koenig und die Mitarbeiter der
Biologischen Station Wilhelminenberg eine eigene
Fernsehsendung zunächst unter dem Namen Wunder der
Tierwelt, später Rendezvous mit Tieren, und zuletzt, um dem
gesamten Spektrum seiner Ideen Rechnung zu tragen,
Rendezvous mit Tier und Mensch. Die Sendung läuft bis
1992 und wird mit 36 Jahren Laufzeit und rund
12 Folgen pro Jahr die älteste gleichbleibende
Fernsehsendung im deutschsprachigen Raum. Bei Publikumswertungen
erzielt sie Spitzenwerte und Otto Koenigs markante Figur wird
für Millionen von Menschen eine vertraute Persönlichkeit. Otto
Koenig und seine Mitarbeiter treten stets in ihrer
"Wilhelminenberger Kluft" auf, die zum Erkennungszeichen auch
bei allen anderen öffentlichen Auftritten wird und bald in ganz
Österreich bekannt ist.
Otto Koenig produziert eine Vielzahl an fotografischen und
kinematografischen Dokumenten, um im Sinne der Vergleichenden
Verhaltensforschung (Ethologie) Bewegungsweisen und -abläufe
von Tieren im Gehege und Freiland möglichst verläßlich zu
protokollieren. Schon bald bezieht er den Menschen mit seinen
Traditionen und Bräuchen in die Studien ein und begründet den
Forschungszweig der "Kulturethologie". Ab 1976
veranstaltet er alljährlich die bis heute stattfindenden
"Matreier Gespräche für interdisziplinäre
Verhaltensforschung" als fächerübergreifende
kulturkundliche Tagung.
Am 5. Dezember 1992 erliegt Professor Otto Koenig seinem
schweren Krebsleiden. Er hinterläßt rund 225 Druckwerke
(darunter 22 Bücher), eine Vielzahl an popularwissenschaftlichen
Veröffentlichungen und 186 wissenschaftliche Filmdokumente; aber
vor allem den humanitären Auftrag, statt zur Zerstörung der
Natur zu ihrer Heilung beizutragen.
Einen Nachruf> auf Prof. Otto Koenig finden Sie
hier
Werke
(eine Auswahl)
Briefe aus dem Süden
Das Buch vom Neusiedlersee
Das Paradies vor unserer Tür
Führer rund um den Neusiedler See,
Geschichte der Vergangenheit
Kif Kif. Menschliches und Tierisches zwischen Sahara und Wilhelminenberg,
Kultur und Verhaltensforschung
Märchen und Menschen
Naturschutz an der Wende
Rendezvous mit Tieren
Rendezvous mit den Tieren
Rendezvous mit Tier und Mensch. Forschungsgemeinschaft Wilhelminenberg