Die während des nationalsozialistischen Regimes aufgelöste, nun wieder erstandene österreichische Gesellschaft für Röntgenkunde veranstaltete in der Wiener Städt. Poliklinik anläß;lich der 75. Wiederkehr des Geburtstages von Prof. Guido Holzknecht eine Gedenksitzung zu Ehren ihres Gründers und ersten Präsidenten.
In engem, unmittelbarem Verkehr mit der Natur auf weiten Streifzügen am Buchberg und durch die Donauauen, bei häufigen Spazierfahrten und Ritten in die Umgebung erwachte sein naturwissenschaftliches Interesse, entwickelte sich seine hervorragende Beobachtungsgabe, jenes scharfe Auge, dessen der Röntgenologe zur Deutung des Schattenspiels am Röntgenbild bedarf. Früh zeigte sich sein Forschungsdrang, der ihn veranlasste in ausgedehnten Sezierübungen in das Innere seiner Objekte vorzudringen. Ein Weihnachtsgeschenk – sein erstes Mikroskop – über das er tagelang gebeugt saß;, verstärkte seinen Forschereifer. Die Präparate, die sich im Laufe der Zeit unheimlich vermehrt hatten, standen noch lange auf dem Dachboden des Hauses.
Groß;er Wert wurde auf körperliche Ertüchtigung gelegt, und jeder zeitgemäß;e Sport wurde ausgeübt. Er war ein guter Schwimmer, ein vorzüglicher Turner, ein eleganter und kühner Reiter. Damit eignete er sich jene Widerstandskraft an, die es ermöglichte, dass er trotz unzähliger Operationen eine ungeheure Arbeitsleistung als Arzt, Techniker, Forscher auf beiden Gebieten, als Organisator bei der Gründung des Röntgeninstitutes am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, als Universitätslehrer und nicht zuletzt als Schriftsteller mit über 250 Publikationen bewältigte.
Am 8. November 1895 waren in Würzburg von Röntgen die nach diesem benannten Strahlen entdeckt worden. Anfang des folgenden Jahres brachte die Presse einen Artikel über diese „sensationelle Entdeckung": es sei gelungen, eine menschliche Hand so zu photographieren, dass das Fleisch unsichtbar blieb und sich nur die Knochen zeigten. Das war das erste Röntgenbild. Holzknecht studierte damals an der Wiener Universität. Die Begeisterung, die eine Broschüre über diese Entdeckung bei ihm hervorrief, war Zeugen noch viel später in lebhafter Erinnerung. Mit divinatorischem Blick erfasste er deren Tragweite. Viele Schwierigkeiten mussten noch überwunden und viel Arbeit geleistet werden, ehe er sich der Röntgenologie ganz widmen konnte. Zunächst vollendete er seine medizinischen Studien und promovierte am 7. Juli 1899. Die Mutter Ludovika, geb. Sievert, eine Frau von lebhaftem Geist und Temperament, männlicher Energie und gütiger Hilfsbereitschaft, gab das nötige Geld für die erste Apparatur. Diese war noch klein und primitiv und wurde mit Erlaubnis des Prof. Nothnagel in einer winzigen, schmalen Zelle der I. Medizinischen Klinik aufgestellt. Es war dies das "Pest-Kammerl", so genannt, weil vor Zeiten darin ein Patient an der Pest gestorben war. Das war Holzknechts erstes Röntgenlaboratorium im alten AKH und Vorläufer des später durch das Entgegenkommen der Stadt Wien errichteten ruhmreichen Institutes, dem dann Studenten und ärzte aus der ganzen Welt zuströmten.
Die ersten, epochemachenden Publikationen wurden noch 1899 und 1901 in Klosterneuburg konzipiert und geschrieben. 1902 sandte er das Chromoradiometer in die Welt – das erste Instrument zur Messung der Strahlenmenge. Die Vorarbeiten und langwierigen Versuche zu der auf empirischem Wege konstruierten Farbenskala entstanden ebenfalls in dem kleinen Häuschen in der Buchberggasse 29. Erst mit dieser Erfindung wurde die Röntgentherapie zu einer exakten Wissenschaft, und war die Möglichkeit gegeben, überdosierung zu vermeiden, vor Verbrennungen zu schützen und dem kranken Gewebe die richtige Strahlenmenge zuzuführen. Auf dieser Grundlage wurde eine biologische Einheit für das Röntgenlicht aufgestellt, die nach seinem Namen "1 H", eine Holzknechteinheit, benannt wurde.
Mit beispielhafter Selbstaufopferung erforschte er die Anwendung der unheimlichen Strahlen in der Heilkunde, aber auch ihre Gefahren. Damit rettete er ungezählten Menschen Gesundheit und Leben, bezahlte aber diese Erfolge für die Allgemeinheit mit seinem eigenen Leben. Den dringenden Rat seiner Kollegen, die Beschäftigung mit den Strahlen sofort aufzugeben, als sich die ersten Schäden zeigten, wies er entrüstet von sich, und so vernichtete der Röntgenkrebs zuerst seine Arme und dann den ganzen Körper. Sein Denkmal im Park Ecke Währingerstraß;e/Spitalgasse zeigt ihn mit dem Arm in einer Schlinge, um sein im Dienste der Menschheit heldenhaft gebrachtes Opfer zu veranschaulichen. Guido Holzknecht galt schon zu Ende des ersten Dezenniums des vergangenen Jahrhunderts als der größ;te Radiologe der Welt. Anlässlich seines Todes wagte 20 Jahre später Prof. G. Schwarz/New York "... die Geschichte des Wirkens von Guido Holzknecht ist die Geschichte der medizinischen Radiologie".
Dr. Georgine Holzknecht