Clementine Gerhardine Maria (Tini, Tintje) Alberdingk wurde am 14. Juni 1890 in Klosterneuburg als viertes Kind des Herrmann Josef (1858–1916) und der Josepha Johanna Mari Nicolaya Alberdingk (1862–1932), geboren. Die aus Holland stammenden Eltern zogen nach Klosterneuburg, um dort die Farben- und Firnisfabrik nach dem Tod des älteren Bruders des Vaters, Anton, weiterzuführen. Firnisse der Firma Alberdingk waren sehr geschätzte Qualitätsprodukte der Zeit. Clementine, deren Rufname Tini war, bildete mit zwei ihrer vier Geschwister, Hermine und Ernestine, das Dreimäderlhaus Alberdingk. Es waren drei ausnehmend hübsche Mädchen, die alle künstlerische Interessen hatten. Hermine (1887–1980), verehelichte von Kirchmayr, auch Minki gerufen, übte zeitlebens die erlernte bildende Kunst nicht aus, aber Erny, wie Ernestine (1892–1961) immer genannt wurde, entwickelte sich zu einer berühmten Geigerin, die unter anderem das Alberdingk-Quartett begründete.
Dieses Streichquartett, in all seinen späteren Formationen immer Alberdingk-Quartett benannt, wurde 1916 von Clementine in einer eindrucksvollen Studie (Abb. 2) festgehalten. Es wurde am Beginn von Elisabeth Bockmayer, Cello, Susanna Lachmann, zweite Geige, Alba Poppy, Viola und Erny Alberdingk, erste Geige, gebildet. Auftritte und Gastspiele standen auch im Ausland am Programm, so gastierte das Quartett 1916 im Felde und 1917 in München. Eine neuerliche Deutschlandreise des Quartetts 1926 zeigte bereits eine veränderte Besetzung, neben Erny waren das Tina Koppensteiner und die Schwestern Hilde und Luitgard Wimmer. Im Jahre 1930 befanden sich neben Erny Alberdingk-Walter und Luitgard Wimmer die Geigerinnen Lilly Sieber und Dora Streicher neu in dem Quartett. Erny war in der Zusammenarbeit mit ihrem Gatten Karl Walter (1892–1983), Professor an der Wiener Musikakademie, sehr anerkannt (Abb. 3 u. 4). Er war Domorganist und hatte die beliebten Orgelkonzerte zu St. Stephan begründet. Aus seiner Hand stammen auch einige Kompositionen.
Tini verfolgte ihr Ziel, Malerin zu werden, geradlinig und strebsam. Schon als Kind sehr selbstbewusst, dürfte sie das Internat im Sacre-Coeur in Preßbaum nicht sehr geschätzt haben, denn sie wurde wegen Ungehorsams nach Wien in den 3. Bezirk verlegt, dort war sie dann externe Schülerin. Das Zeichnen lag ihr im Blut und die künstlerische Ausbildung war unausweichlich. Ihre ersten Gehversuche in der bildenden Kunst erfolgten von 1906 – 1908 in der Malschule von Ferdinand Kruis und Franz Hohenberger in Wien. Diese Malschule wurde 1902 von Franz Hohenberger gegründet und mit Ferdinand Kruis bis 1916 weiter betrieben. Beide Maler waren Absolventen der Wiener Akademie und Mitglieder der Secession. Ferdiand Kruis beschäftigte sich auch mit der Lithografie und schuf einige hervorragende Blätter.
Erny Alberdingk-Walter, Tinis Schwester, musizierte oft am Sonntag Vormittag mit ihrem Quartett im Hause Wildgans in Mödling, das sich neben der Othmarkirche befindet. Mit Tini stand Wildgans weiter in Verbindung, wie der gegenseitige Schriftwechsel es dokumentiert. Wildgans fand Clementine in ihrer künstlerischen Entwicklung bereits sehr weit fortgeschritten und gefestigt und rät ihr, kompromisslos alles auszuprobieren, denn nur wer durch Höhen und Tiefen gegangen sei, könne den richtigen Weg für sich finden. Als sich Tini im Jahre 1920 länger nicht blicken ließ, schrieb er eine sehr persönliche, tadelnde Widmung in ein Exemplar eines Buches, das für Tini bestimmt war. Mit der Gattin des Dichters, Lily Wildgans, war Tini freundschaftlich verbunden. Eine Ruf-Tante der Alberdingk-Schwestern, Johanna Rössler, verband eine tiefe Seelenfreundschaft mit Anton Wildgans. Er schätzte „Tante Johanna“, wie er sie titulierte, sehr, und bezeichnete sie als einen derjenigen seltenen Menschen, die die höchste Eigenschaft der „ ... patientia audiendi“ besitzen, d. h. die Gabe, an einem Gespräch derartig zuhörend teilzunehmen, daß es ermunternd und entfaltend auf die Stimmung und Gedankenaustausch der Redenden wirkt ... "
Der Kontakt der Familien Wildgans und Alberdingk kam höchstwahrscheinlich über die Musik zustande. Wildgans war ein passabler Geigen- und Klavierspieler, bewegte sich in Dichter- wie in Musikerkreisen und Erny, die Geigerin, war das Bindeglied. Ebenso eine passionierte Geigerin war die Kusine von Johanna Roessler, Agnes Funck, die spätere Archivarin und Gehilfin von Lily Wildgans beim Aufbau des Dichter-Archivs. Agnes Funck spielte eine Stradivari und Wildgans empfand Höllenqualen, als diese Geige bei ihm aufbewahrt wurde und er nicht darauf spielen konnte. Die Schwiegertochter von Johanna Roessler, Hilda, war ausgebildete Sängerin und nahm an den Sonntagsvormittagsmatineen des Alberdingk-Quartetts im Hause Wildgans aktiv teil. So war die Musik eine der schönsten Verbindungen zwischen den Familien Wildgans, Alberdingk und Roessler. Die Verbindung von Clementine zur darstellenden Kunst bestand über die mit allen befreundete Familie von Wolf Albach-Retty und über den mit allen befreundeten kunstsinnigen Chorherren Wolfgang Pauker, der gleichzeitig das Bindeglied zum Stift und der Künstlerschaft in Klosterneuburg war. Wildgans selbst stand in Briefkontakt mit Probst Josef Kluger. Nach dem frühen Tod des Dichters 1932, der in die holländische Zeit von Tini fiel, bestand weiter Kontakt zwischen den Familien, denn der Sohn von Clementine (er kam 1932 in Holland auf die Welt) kann sich noch an die Besuche bei Familie Roessler in der Himmelstraße in Grinzing und bei Familie Wildgans in Mödling erinnern
Die engsten Maler-Freundinnen von Tini waren die Klosterneuburgerinnen: Emma Bormann, Tochter von Eugen Bormann, dem berühmten Epigrafiker und Altertumsforscher; Franziska Wilfer-Horst, Tochter von Franz Horst, einem Mitbegründer des VHKK und Georgine Altmann-Rinnerer, auch Schorschi genannt, eine Malerin und Modezeichnerin aus der unmittelbaren Nachbarschaft in der Skallgasse in Klosterneuburg. Mit letzterer unternahm Clementine öfters gemeinsame Malausflüge in die Klosterneuburger Au. Alle vier Künstlerinnen waren Mitglieder im VHKK.
1917 ging Tini mit ihrer besten Freundin, Emma Bormann, nach München an die Staatliche Kunstgewerbeschule. Emma hatte im März 1917, Tini im April 1916 ihren Vater verloren und so fühlten sich beide jungen Frauen nicht mehr so eng an Klosterneuburg gebunden. Clementine belegte an der Kunstgewerbeschule in München ein Jahr die Klasse für dekorative Malerei bei Robert Engels und bezeichnete selbst diese Zeit als sehr fruchtbar. Sie kehrte nach diesem Jahr zurück nach Klosterneuburg, Emma blieb bis 1920 und wechselte nach einem Semester die Rollen, sie unterrichtete nun selbst. Eine Italienreise mit Emma im Sommer 1920 nach Ravenna brachte wieder längere Gemeinsamkeit mit ihrer Freundin.
Wahrscheinlich schmiedeten die beiden damals bereits die weiteren Ausbildungspläne. Denn ab dem Wintersemester 1920 bis 1923 besuchten Tini und Emma die graphische Lehr- und Versuchsanstalt bei Alfred Cossmann. Dieser schätzte Tini sehr, wie eine Dankeskarte des Meisters an seine Schülerin beweist ( Abb. 6 u. 7). Wahrscheinlich wurde sie auch hier zu ihrem kleinen, aber feinen Exlibriswerk angeregt, das sie von 1926–1927 sowohl mit der Österreichischen Exlibrisgesellschaft ausstellte, als auch in der Vereinigung schaffender Künstler „Weisse Insel“ in Wien. Diese exzellenten grafischen Blätter, alle in Tiefdrucktechnik, schuf sie für unbekannte Eigner mit den Initialen CvD und AS, für Walter und Hilda Roessler (Rössler) mit den Initialen WHR, für Dr. Gustav Huber, Direktor im Eisenbahnministerium und für Severin Schmidt, Chorherr im Stift Klosterneuburg. Ein undatiertes und unbezeichnetes Neujahrsblatt (Abb. 14) mit Cello spielenden Engeln, ergänzt diese Buchzeichen.
Das Blatt für das Eigner-Ehepaar Walter und Hilda Roessler (Abb. 8) ist das Exlibris mit den Initialen WHR, 98 x 85 mm groß und in der Platte nicht signiert. Es zeigt ein junges Paar, das auf einem Latschenkranz in Herzform sitzt und sich auf einen zwischen ihnen liegenden Rucksack stützt. Der junge Mann trägt Lederhose und einen Berghut, das Mädchen gleicht eher einem Pagen, als einer Wanderin. Pickel und Krampen, auch Kletterbehelfe, die beide in Händen halten, könnten ein Hinweis auf das Schürfen von Edelmetallen sein. Dies ist eventuell durch die sehr interessante Familiengeschichte erklärbar.
Das zweite Exlibris (Abb. 10), dessen Eigner bekannt ist, wurde für Dr. Gustav Huber (1878–1945) geschaffen. Es hat eine Plattengröße von 130 x 95 mm, ist handsigniert und schwarz auf gelblichem Papier. Laut Veröffentlichung der Wildgans-Gesellschaft war Gustav Huber der Lebensgefährte von Johanna Roessler, was die Enkelin von Johanna nicht bestätigen kann. Sie berichtet von einem distanzierten Verhältnis der Familie Roessler zu Dr. Gustav Huber. Er war unter dem Pseudonym Semper Errasmus schriftstellerisch tätig. Mit Anton Wildgans verband ihn eine tiefe Freundschaft, die noch durch die gemeinsame Liebe zur Musik und dem beiden verbundenen Komponisten Joseph Marx (1882-1964) bestärkt wurde. So finden sich unter anderem in den Teilnachlässen von Huber in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek und in der Österr. Nationalbibliothek nicht nur Typoskripte seiner Dramen, sondern auch eine reichhaltige Korrespondenz mit Anton Wildgans und dessen Gattin Lily, mit Joseph Marx und dessen Lebensgefährtin und Muse, der Sängerin Anna Hansa (1877–1967) und mit Hermine Cloeter (1879–1970), Schriftstellerin und Kunsthistorikerin, Verfasserin zahlreicher bekannter Bücher über das künstlerische Schaffen in Wien und über die Wachau.
Für Anton Wildgans war Gustav Huber der einzige unter all seinen vielen Freunden, den er als Sachwalter für seine Kinder, im Falle seines Ablebens, bestimmen wollte. Von Beruf war Gustav Huber ein österreichischer Beamter, Ministerialrat, Bundesbahndirektor, was das Motiv des Exlibris erklärt. Das geflügelte Rad, in der Berufssymbolik oft als Zeichen der Eisenbahn benutzt, gibt den Bezug zur Berufstätigkeit des Eigners im klassischen Sinne des Exlibris wieder. Eine junge Frau steht mit einem Fuß auf diesem Rad und stützt sich mit dem zweiten auf dem Kopf eines mit Ketten an das Rad gefesselten jungen Mannes ab. Die Symbolik ist so vielschichtig interpretierbar, ich würde sie als Metapher über das menschliche Sein schlechthin interpretieren. Das Rad der Fortuna dreht sich, wen es nach oben trägt, dem liegt die Welt zu Füßen, und wer schon oben sitzt, der wird im nächsten Augenblick vom Rad überrollt, unausweichlich, unabänderlich? Die Glücksgöttin ist also zugleich die Schicksalsgöttin für den gefesselten Mann, nur sie kann den Lauf der Dinge verändern. Eine Anspielung auf eine glücklich überstandene schwere Erkrankung des Eigners 1919?
Das dritte Exlibris (Abb. 11) hat die Künstlerin für Severin Schmidt, Chorherr des Stiftes Klosterneuburg, geschaffen. Das Blatt ist 127 x 120 mm groß, schwarz auf gelblichem Papier, undatiert und handsigniert. Severin Schmidt (1892–1951), war Absolvent des akademischen Gymnasiums am Beethovenplatz in Wien und belegte ab 1912 kunsthistorische Fächer an der Universität Wien. Seine Studien vollendete er wahrscheinlich schon als Kleriker, die Einkleidung erfolgte 1913, die Priesterweihe 1918. Von 1920 – 1934 unterrichtete er Religion am Bundesrealgymnasium in Korneuburg, wo er auch als Kooperator fungierte. Er war Dozent für Pastoraltheologie, Kunstgeschichte und Kirchengeschichte. Von 1935 bis 1938 unterrichete er als Dozent für kirchliche Kunstgeschichte und von 1947 – 1949 als Dozent für kirchliche Kunstgeschichte und Liturgik, ein Jahr später auch für Kirchengeschichte. Von 1950 bis zu seinem Tod war er kurzzeitig Kustos der stiftlichen Kunstsammlungen in Klosterneuburg. Er erhielt das Österreichische Silberne Verdienstzeichen. Neben seinen vielen Verpflichtungen, darunter auch als Novizenmeister und Klerikerdirektor im Stift Klosterneuburg, war er 1938 bis 1940 Kirchenrektor der neu erbauten Leopoldskirche im Weidlinger Sachsenviertel. Bereits um 1910 war ihre Errichtung geplant gewesen und entsprechende Kirchenbauvereine gegründet worden. Aber erst in den Jahren 1936 – 38 konnte trotz schwieriger Zeiten das Projekt realisiert werden und nach der Grundsteinlegung durch den damaligen Propst des Stiftes, Generalabt Josef Kluger, erfolgte der Bau durch die Fa. Josef Schömer & Sohn aus Klosterneuburg nach den Plänen des Architekten Rudolf Leopold Wondracek aus St. Pölten, einem Otto Wagner-Schüler. Jos. Schömer (1857–1942), von 1876-82 Absolvent der Meisterschule für Baukunst an der Akademie der bildenden Künste Wien, schlug später eine politische Laufbahn ein und war von 1922 bis 1929 war ebenfalls Architekt in Klosterneuburg und Mitglied im VHKK. Das Handelsunternehmen seines Bruders Fritz Schömer (1902–1990), wurde vom Schwiegersohn Karlheinz Essl so erfolgreich zur Baumarktkette BauMax umgebildet, dass es den finanziellen Grundstock für die Sammlung des Ehepaares Agnes und Karlheinz Essl bildete. Dem Neubau des Schömer-Hauses 1985 nach den Plänen von Architekt Heinz Tesar folgte 1999/2000 ebenfalls nach seinen Plänen die Errichtung des „Essl-Museums“, in aller Welt als „Museum für Kunst der Gegenwart“ bekannt.
Die weiteren Blätter sind keinem Eigner zuzuordenen. Das kleine Blatt (Abb. 12) mit den Inititalen C v D, 60 x 46 mm groß, schwarz auf weißem Papier, handsigniert, zeigt einen Knaben auf einer duftigen Wolke sitzend, umschwärmt von Löwenzahnflugsamen. Der Kleine betrachtet aufmerksam die Pflanze, die dieses Naturschauspiel entwickelt. Das Blatt, künstlerisch dem Jugendstil nahestehend, mit stilisierten floralen Elementen mit ornamentalem Charakter geschmückt, ist als Buchdeckel zu einem ungeöffneten Buch konzipiert. Das Exlibris mit den Initialen AS (Abb. 13), 76 x 65 mm groß, schwarz auf gelblichem Papier, unsigniert, zeigt einen mit Lupe lesenden Gelehrten, der von zwei Engeln flankiert wird, einer ebenfalls lesend, der andere Geige spielend. Das Monogramm AS, ligiert und zentral positioniert, die Figurengruppe über den Initialen thronend. Eine Allegorie auf die Geisteswissenschaften und die Musik, also möglicher Weise für jemanden, der sich auf diesen Gebieten hervorgetan hat.
Um 1920 dürfte der Auftrag für das grosse Bildnis des Klosterneuburger Prälaten, Josef Kluger, mit geistlicher Assistenz der Pfarrer Josef Roithammer und Ägid Beyer vor dem Hochaltar der Stiftskirche in Klosterneuburg, an die Künstlerin vergeben worden sein. Es wurde 1921 im VHKK und 1922 im Wiener Künstlerhaus ausgestellt. Heute befindet es sich im Inventar des Stiftsmuseums Klosterneuburg. 1923 entstand das lebensgroße Bild von Kardinal Piffl, das erst 1928 im VHKK ausgestellt wurde und sich heute in der Erzdiözese Wien befindet. In dieser Ausstellung sah man auch aus ihrer Hand das große Bildnis von Auguste Bormann, Frau Hofrat Bormann, der Mutter ihrer Freundin Emma Bormann. Das nach Aussagen von Zeitzeugen vortrefflich gelungene Brustbild befindet sich noch heute in Privatbesitz in Klosterneuburg. Es gibt in ausdrucksvoller Weise die große Güte und Gelassenheit dieser vielfachen Mutter wieder. Die Ruhe und Geborgenheit, die von diesem Bild ausströmt, wird durch die helle Farbgebung mit vorherrschenden Grüntönen noch verstärkt. 1926 und 1927 konnte man einen Heiligen Franz von Assisi in der Vereinigung Weisse Insel und in Klosterneuburg bewundern. Das Ölbild fiel den Plünderungen in den Kriegswirren anheim. Auch das Gemälde Maifeiern konnte nur in Wien gesehen werden und ist verschollen. Aufträge für Porträts der Bürgermeister Kautek, Vizebürgermeister Josef Ochsner, Prim. Dr. Arthur Weiss, alle in Privatbesitz, und ein Auftrag der Gemeinde, das Klosterneuburger Strandbad zu malen, folgten. Dieses sehr bekannte große Bild des Strandbades befindet sich im Klosterneuburger Stadtmuseum. Eine große Ansicht von Klosterneuburg wurde vom Landeshauptmann zum Ankauf bestimmt. Alle diese Gemälde wurden ebenfalls im VHKK ausgestellt.
1926 heiratete Clementine den neun Jahre jüngeren Otto Mehl (1899–1964), einen Kunstgewerbler und Maler. Sie hatte ihn im Männer-Turnverein Klosterneuburg kennengelernt, zu dessen Besuch sie von ihrer turnbegeisterten Freundin Emma animiert wurde. Diese Ehe sollte alle Schwierigkeiten überstehen und war trotz des Altersunterschieds sehr glücklich. Da die Arbeitssituation immer prekärer wurde, übersiedelte das Künstlerehepaar Mehl-Alberdingk 1930 nach Holland, wo beide in Roermond in dem Atelier für christliche Kunst Kunstwerkplaatsen Cuypers & Co Arbeit fanden. Dass die Wahl gerade auf diese Kunstwerkstatt fiel, ist vielleicht auf die Verbindung der Familien Alberdingk (Alberdingk Thijm) und Cuypers im 19. Jh. zurückzuführen. 1859 heiratete Antoinette Alberdingk (Alberdingk Thijm) (1829–1998) den Architekten Pierre (Petrus) Cuypers (1827–1921). Nenny, wie sie auch geannt wurde, war seine zweite Frau, eine polyglotte vielseitig begabte Sängerin und Malerin, die auch bei den Entwürfen im Büro ihres Gatten in Roermond mitarbeitete. Das 1852 von ihrem Gatten mit Francois Charles Stoltzenberg sen. gegründete Unternehmen, Cuypers und Stoltzenberg, wurde 1892 aufgelöst und die Firma Cuypers & Co gegründet, in der der gemeinsame Sohn, Joseph Cuypers (1861-1949), Partner seines Vaters wurde und 1898 die Geschäfte übernahm. Der Einfluss des Bruders von Nenny, des berühmten Schriftstellers Joseph Albert Alberdingk (Alberdingk Thijm), in Bezug auf christliche Kunst, war bestimmend für das Werk ihres Gatten und die Ausrichtung des Kunstateliers.
Die Freundschaft mit Emma Bormann aber war über all die Jahre sehr eng geblieben, und man stand immer in Briefkontakt. Den letzten Brief erhielt Tintje, wie Clementine von Emma in Anlehnung an das Holländische immer genannt wurde, knapp vor ihrem Tod. Clementine war über jeden Besuch in der alten Heimat froh. Auch für ihre zweite Freundin, Franziska Wilfert-Horst, waren die Besuche in Klosterneuburg Lichtblicke in ihrem ungeliebten Dasein in Südamerika. So trafen sich die ehemaligen Freundinnen Tini und Franzi in ihrer Heimatstadt und malten auch gemeinsam. Bei einem Heimatbesuch 1964 in Klosterneuburg, der wegen einer geplanten Operation des Gatten erfolgte, verstarb dieser unerwartet. Tini erlitt in der Folge zwei Schlaganfälle, von denen sie sich aber wieder erholte und wieder malte. Sie blieb in Klosterneuburg und lebte noch zwei Jahre im Familienverband ihres Sohnes, Dipl. Ing. Hermann Mehl, wo sie am 27. November 1966 verstarb. Ihr letztes Bild aus einer langen Reihe von Blumenbildern, ist ein üppiges, überquellendes und farbenintensives Pfingstrosenbild. Werke der Künstlerin befinden sich im Besitz des Stiftes Klosterneuburg, des Klosterneuburger Stadtmuseums, in der Erzdiözese Wien und in Privatbesitz. Die herrlichen Glasfenster findet man in zahlreichen Klöstern und Kirchen und Privathäusern in Holland. Neben der überwiegenden Zahl an Porträts finden sich in dem malerischen Werk der Künstlerin hauptsächlich Blumendarstellungen. Von besonderer Qualität sind die vielen Zeichnungen (Abb. 16), Porträt-Studien zu ihren Auftragswerken, und die Darstellungen des Alberdingk-Quartetts in verschiedenen Formationen. Ihr grafisches Talent bewies sie neben diesen zahlreichen Skizzen und Zeichnungen (Abb. 14) auch im Bereich der Druckgrafik wie Radierungen, Linol- und Holzschnitten in Form von Exlibris, Porträts und Klosterneuburger Motiven. Neben ihrer Mitgliedschaft im VHKK seit 1911 mit sieben Ausstellungsteilnahmen war sie auch noch Mitglied in der Vereinigung schaffender Künstler Weiße Insel, in der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft und im Künstlerbund Klosterneuburg.